Soweit die normalen Auftragsarbeiten es zulassen, werde ich auch in diesem Jahr mein persönliches Langzeitprojekt weiter verfolgen: die fotografische Spurensuche nach deutschen Identifikationsorten, nach besonderen Plätzen und Landschaften oder außergewöhnlichen Brauchtumsformen in Deutschland – von Helgoland im Norden bis zum Königssee im Süden. Den Auftakt machte im Januar der Spreewald, wo ich ein paar Fotos vom winterlichen Lehde machen konnte (dem „Venedig im Kleinen“, wie Fontane es genannt hat). Später war ich in München, in Bremen und in Baden-Baden unterwegs, um weitere Bilder für das Langzeitprojekt zu sammeln.
Gestern ging‘s nun nach Weingarten zum „Blutritt“, der größten Reiterprozession in Europa. Etwa 2.500 Reiter in Frack und Zylinder oder in historischen Uniformen reiten dort jedes Jahr am Freitag nach Himmelfahrt auf einer viele Kilometer langen Prozession durch Stadt und Land. Sie begleiten den Heilig-Blut-Reiter, der ein Reliquiar mit sich trägt, in dem ein Blutstropfen Jesu sein soll. 80 Musikkapellen mit über 4.000 Mitgliedern folgen den Reitern durch die Stadt, über 30.000 Pilger und Zuschauer verfolgen die Prozession am Wegrand. Wie aus der Zeit gefallen wirkt das alles: Gestandene Männer (keine Frauen!), die reitend Marienlieder singen und laut immer wieder den Rosenkranz beten, im Zeitalter der zunehmenden Entfremdung von religiösen Gewissheiten und tradierten Verhaltensmustern. Immerhin: Spannende Motive, die mein Deutschland-Puzzle um ein interessantes Detail bereichern.
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